Falun Gong ist eine 1992 in China von Li Honzhi begründete mental-gymnastische Übungsmethode, welche mit dem auch in unseren Breiten bekannten Qi Gong oder Tai Chi vergleichbar ist.
Die Übungen des Falun Gong erfreuten sich aufgrund ihrer gesundheitsfördernden Wirkung großer Beliebtheit, weshalb diese Bewegung auch mehrfach mit staatlichen Auszeichnungen versehen wurde. Bereits wenige Jahre nach ihrer Begründung fanden sich in China Millionen Praktizierende, welche sich morgens in Parks trafen, um vor Arbeitsbeginn Falun Gong zu üben. Der Begründer Li Honzhi wurde auf Chinas größter Gesundheitsmesse zum beliebtesten Qigong-Lehrer des Landes gekürt.
Die Übungsweise besitzt jahrtausendealte, traditionelle Wurzeln im Buddhismus. Zentraler Teil der Lehre ist die Bemühung um moralische und ethische Werte wie Aufrichtigkeit, Güte und Toleranz im täglichen Leben.
„Die Werte von Falun Gong sind nicht nur Ausdruck und Beispiel der höchsten traditionellen Werte Chinas, sondern universell geltende Grundsätze, die uns inspirieren.“ (Prof. Irwin Cotler, ehem. kanadischer Justizminister und Generalstaatsanwalt)
Im Jahre 1999 erfolgte dann schließlich eine für außenstehende Beobachter unverständliche Zäsur: Falun Gong wurde von der Kommunistischen Partei Chinas verboten. Es folgten Massenverhaftungen, behördliche Schikanen, Denunzierungen, Einweisungen in Umerziehungslager und Folter, bei welcher nach Angabe von internationalen Menschenrechtsorganisationen bis heute 3.391 Falun Gong-Praktizierende zu Tode kamen. Die Gefolterten wurden u.a. gezwungen, ihrem Glauben abzuschwören und ihren Lehrer zu beschimpfen.
Zur Verfolgung der Falun Gong-Bewegung wurde eine eigene staatliche Institution, das „Büro 610“ eingerichtet, welches sich der staatlichen Nachrichtenagentur bediente, um das in der Öffentlichkeit so beliebte Falun Gong systematisch zu diffamieren und als verderbliche Sekte für vogelfrei zu erklären.
Die Falun Gong-Praktizierenden reagierten auf die Diffamierungen und Gewalt in der Art Gandhis stets mit friedlichem Ertragen und in der Hoffnung auf internationale Solidarität.
Die Methoden der Diskriminierung und Folter durch das „Büro 610“ sind durch Menschenrechts-Organisationen wie Amnesty International, Human Rights Watch und der Kommission der Vereinen Nationen für Menschenrechte bereits hinreichend dokumentiert. Details über die hierbei zutage getretenen Menschenrechtsverletzungen sind in Internet-Bildarchiven ersichtlich und können einem in demokratischen Verhältnissen aufgewachsenen Menschen schwer an den Magen gehen.
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Es soll an dieser Stelle vielmehr der Frage nachgegangen werden, was einen Staatsapparat veranlasst, mit ungeheurem finanziellem und bürokratischem Aufwand die systematische Zerstörung einer friedlichen Qigong/Meditationsbewegung zu betreiben.
Aufschluss mag vielleicht der Bericht eines Augenzeugen geben, als der 1999 amtierende Staatschef Jiang Zemin mit seinem Auto an einer friedlichen Kundgebung von mehreren tausend Falun Gong-Praktizierenden vorbeifuhr. Beim Anblick der Gesichter der Falun Gong Gruppe habe er einen Wutanfall bekommen und daraufhin die systematische Zerstörung dieser Bewegung angeordnet.
Was ist es also, was in einem unbeschränkten Machthaber des KP-Staatsapparats einen derartigen Angststachel erwecken kann, der ihn zu drastischsten Repressionen veranlasst?
Bei den drei Falun Gong-Grundprinzipien: „Aufrichtigkeit, Güte und Toleranz“ handelt es sich schließlich um universell anerkannte menschliche Werte, deren Praxis sozialen und wirtschaftlichen Spannungen entgegenwirken könnte und insofern dem innerstaatlichen Zusammenhalt förderlich zugute kommen sollte.
Während einer Konferenz in Genf am 17.3.2003 versuchte sich ein Vertreter der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) der Ursache der Repression folgendermaßen anzunähern:
„Jeder einzelne Praktizierende strahlt innewohnende Geduld, Energie und Vertrauen aus, die ihn ganz und gar unangreifbar für politische Propaganda und Unterdrückung machen. Das ist eine Stärke, die über jede diktatorische Macht geht. Jiang Zemin bemerkte das. Und er fürchtete das. Mehr als alles andere. Deshalb die Unterdrückung.“
– Foto Zemin vs Gao –
Offensichtlich prallen in der Doktrin des KP-Machthabers und in den Lebensregeln der Falun Gong-Praktizierenden zwei gegensätzliche Auffassungen über Sinn und Zweck menschlichen Daseins aufeinander.
Menschen, die sich um Selbstverantwortung und individuelle ethische Entwicklung bemühen, sind als Befehlsempfänger eines hierarchischen Staatsapparates wohl nicht gebrauchbar und stellen insofern eine Bedrohung für das konformistische Organisationsprinzip dar, an welches ein Parteisoldat gewöhnt ist.
Entwicklungspsychologisch betrachtet bedeutet eine Begegnung einer eher rigiden Persönlichkeit mit einer Person, welche sich bereits im individuellen und demokratischen Sinne mehr emanzipiert hat, für erstere einen tiefen Schmerz, da sie jetzt ihre Unzulänglichkeit zur Kenntnis nehmen müsste und selbst zu weiteren Entwicklungsschritten aufgefordert wäre. Vielfach wird dann jedoch als reflektorischer Selbstschutz die Diffamierung und Bekämpfung des Fortschrittlichen eingeleitet.
Hier bewahrheitet sich der lakonische Ausspruch von Friedrich Nietzsche: „Ich verachte ihn. – Weil er mir überlegen ist.“
Die Geschichte lehrt, dass dieser vermeintlich einfachere Weg des Verachtens, Verunglimpfens und Bekämpfens fortschrittlich denkender Menschen vielfach beschritten wurde (und immer noch beschritten wird): in der Vergiftung von Sokrates, der kirchlichen Inquisitionsgeschichte, den Hinrichtungen bzw. Folterungen von Giordano Bruno, Galileo Galilei, Kopernikus und vielen anderen, in den politischen und religiösen Verfolgungen der NS-Zeit, der Geschichte Gandhis, Martin Luther Kings u.a. zeigt sich immer wieder der Versuch, das Andersartige und Fortschrittliche auszumerzen, um in gewohnten, aber schon längst fragwürdigen Bahnen weitermachen zu können.
Dennoch lehrt die Geschichte auch, dass allen Zwangsmaßnahmen und Gräueltaten zum Trotz der Fortschritt der menschlichen Gesellschaft unaufhaltbar vorangeht und dass es gerade die Gedanken derjenigen Menschen sind, welches als Bausteine der Zukunft dienen, die für Ihren Einsatz ihren guten Ruf, ihre Gesundheit oder sogar ihr Leben opfern mussten.
Im Falle von Falun Gong hatten die Diskriminierungen weltweite Empörung zur Folge und führten zu ungeahnten Solidaritätsinitiativen. Obwohl ihnen der chinesische Kulturkreis zunächst fern stand, engagierten sich viele Menschen der westlichen Welt für die Verfolgten, einhergehend mit einem regen interkulturellen Austausch.
Durch parlamentarische Untersuchungskommissionen und unermüdliche Aufklärungskampagnen von NGOs erfuhr Falun Gong auch außerhalb Chinas Bekanntheit und Verbreitung. Inzwischen wird Falun Gong in 75 Ländern von über 100 Millionen Menschen praktiziert. Die Bemühungen, die Falun Gong Bewegung auszulöschen, hatten also geradewegs den gegenteiligen Effekt: Eine Bewegung, die ohne Verfolgung wohl regional begrenzt geblieben wäre, verbreitete sich über die gesamte Welt.
Erschüttert durch die öffentlich gewordenen Ungerechtigkeiten fühlen sich immer mehr Menschen dazu veranlasst, sich für Menschenrechte im Allgemeinen und für Glaubens- und Gewissensfreiheit (ein gemäß Artikel 18 der Allgemeinen Menschenrechtscharta garantiertes Recht) im Besonderen einzusetzen. Insbesondere die jüngere Generation akzeptiert es nicht, dass im 21. Jahrhundert immer noch derartige Diskriminierungen bestehen und setzt sich durch politisches und ehrenamtliches Engagement für einen Fortschritt zu mehr Humanität ein.
Der entstandene interkulturelle Dialog wird vermutlich in der Zukunft, in welcher eine Annäherung Chinas an die westliche Welt erwartet wird (sowie Konfliktpotenzial insbesondere mit der bisher größten globalen Wirtschaftsmacht USA), noch von Bedeutung sein. Die bereits hergestellte Beziehungsbasis zwischen Ost und West könnte hierbei einen Beitrag zur Entschärfung möglicher politischer Konflikte geben.
Bei aller Bitternis der Geschehnisse ist also dennoch ein Fortschritt in menschenrechtlicher und globalpolitischer Hinsicht zu erwarten.
– Foto New York –