Beinahe unantastbar ist das Dogma, dass von Sekten eine große Gefährdung für die Gesellschaft ausgehe. Wie ist diese Meinung entstanden? Welche Personen und Institutionen haben Sie geschaffen? Eine spannende Reise durch die Entwicklung der Anti-Sekten Bewegung…
Teil 1
Ein Professor läuft Sturm
Im November 1998 veröffentlicht die schweizer Zeitschrift „Zeit-Fragen“ einen Artikel des emeritierten Professors für Allgemeine Staatslehre und Öffentliches Recht, Prof. Dr. Martin Kriele. Sie trägt den Titel „Die faschistischen Züge der Sektenjagd.“
Kriele beschreibt darin in zehn prägnanten Punkten Formen und Ausprägungen religiös weltanschaulicher Verfolgung in Deutschland, die ihn an das Gebaren faschistischer Kreise erinnert. Kriele, der seit Jahren wegen seines Engagements für religiöse Minderheiten ins Kreuzfeuer der Kritik von Sektengegnern geraten war, fasst damit seine Erfahrungen zur Arbeitsweise von kirchlichen, staatlichen und „freien“ Anti-Sekten Organisationen zusammen. Neben sieben weiteren Punkten zählt er darin zum Beispiel auf:
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Aggressivität gegen Minderheiten: „Ein typisch faschistisches Element ist die Aggressivität gegen wehrlose Minderheiten. (…) Die Sektenjäger sind bis zur Wut gereizt, wenn sie Menschen mit Überzeugungen begegnen, die vom vorherrschenden Trend abweichen.“
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Rechtsfremdheit: „Ein weiterer faschistischer Zug der Sektenjagd liegt in ihrer Rechtsfremdheit, d. h. in zahllosen Versuchen, die die Minderheiten schützenden Rechtsregeln zu durchlöchern, zu umgehen oder zu verletzen.“
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Konformität und Mitläufertum: „Typisch faschistisch ist auch das Streben, Gruppen zu spalten, den kleineren Teil zu isolieren und den größeren zur Distanzierung von ihm zu bestimmen.“
Religiöse Verfolgung in Deutschland? Innerhalb Europas? Leben wir nicht in einem demokratischen Rechtsstaat, der in Art. 4 des Grundgesetzes jedem Bürger garantiert:
„Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich?“
So unglaubhaft es für manchen erst einmal klingen mag: Die Erfahrungen tausender Menschen in Deutschland sprechen leider deutlich dafür, dass „Sektenjagden“ in Deutschland nichts Außergewöhnliches sind. Kriele in seinem Text weiter:
„Seitdem ich – gemeinsam mit anderen Universitätsprofessoren – die Sektenjagd in Deutschland öffentlich kritisiert habe, gingen mir von vielen Seiten erschütternde Berichte über fast unglaubliche Vorgänge zu. Unschuldige Gottsucher – ernsthafte, ehrfürchtige, betende, meditierende, herzensgute, sozial engagierte Menschen – werden isoliert und bedroht, lächerlich und verächtlich gemacht. Sie verbringen ihre Nächte schlaflos, geängstigt und in Tränen; manche erwägen die Emigration – wie einst zur Nazizeit.“
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