Saat für die Pogrome der Zukunft

20. Juni 2008 | Von | Kategorie: Featured, Propagandajournalismus

Was bewirkt eigentlich der gegenwärtige Journalismus bei den Betroffenen?

Einige Überlegungen zur Motivlage von Hetz-Journalisten am Beispiel der gegenwärtigen Kritik an Rudolf Steiner.

War Rudolf Steiner Rassist, oder gar ein Satanist? Ist er ein Judenhasser gewesen? Wird an den Waldorfschulen geprügelt und heimlich Nazi-Gedankengut an unschuldige Kinder weitergegeben? Gefährden Waldorfeltern durch „Impfverweigerung“ fahrlässig die Gesundheit tausender Kinder?

Wie ist es einem zumute, wenn man heute, als jemand der über Jahre hinweg eine tiefe Liebe zu den freien und von Weisheit geprägten Gedanken Rudolf Steiners ausgeprägt hat und beinahe täglich in den Medien solchen Aussagen begegnet?

Wer wirklich eine Liebe zur Person und den Gedanken Rudolf Steiners entwickelt hat, wird nicht anders können, als darüber tiefen Schmerz zu empfinden. Niemand wird es so einfach „wegstecken“, wenn ständig Beleidigungen, Lügen und zynische Bemerkungen über einen Menschen gemacht werden, der für das eigene Innere zu einer Quelle der Inspiration und des seelischen Glücks geworden ist und für den man tiefste Achtung und Verehrung empfindet. Jemand der ernsthaft Anthroposophie studiert, wird diese Verbindung von Seele zu Seele, von der eigenen Persönlichkeit zu dem Geist Rudolf Steiners immer als einen Schatz erleben, der sein Leben und seine eigene Geist- und Erkenntnissuche von Innen heraus befeuert.

Wird nun beständig aller erdenkliche Schmutz auf diese seelische Beziehung geworfen, so wird das deutliche Folgen haben müssen. Es ist tatsächlich das Recht zu hohen Idealen, die Liebe zum Schönen und Reinen, die Verehrung zu der Persönlichkeit Rudolf Steiners, die dem ernsthaft Suchenden auf dem spirituellen Wege abgesprochen werden sollen, wenn er als naiver, zurückgebliebener, ja durch seine Überzeugungen gefährlicher Mensch hingestellt werden soll und alles was ihm Lieb und Teuer ist verächtlich gemacht werden soll. Er muss sich über kurz oder lang fühlen wie ein wahrer „Untermensch“, wie der Angehörige einer minderwertigen Rasse von ewig Gestrigen, über den das Urteil der Welt längst gesprochen ist.

Der Journalist auf der anderen Seite, der schlaue, weltoffene und scheinbar immer moderne „Weltenplauderer“, sonnt sich selbst meist in dem glücklichen Bewusstsein, auf der Seite der wahren Gesinnung zu stehen. In der ruhigen Gewissheit, den Geist der Zeit völlig hinter sich zu haben, versteigt er sich zu immer dreisteren und überheblicheren Behauptungen und Urteilen.

Verborgene Motive

Was treibt zum Beispiel einen Journalisten dazu, solch zynische und ehrverletzende Worte zu gebrauchen wie zum Beispiel die Spiegel-Autorin Raffaela von Bredow, die ihren Bericht mit der Überschrift versieht:

Erleuchtung durch die Gurke-Sie glauben an Homöopathie, Reinkarnation und kosmische Energien – an der Uni Kassel dürfen anthroposophische Landwirte ihre esoterische Sicht lehren und Mond- und Ätherkräfte beforschen.“

Lassen wir einmal verschiedene Auszüge aus dem Text auf uns wirken, vor allem wie Rudolf Steiner und die Anthroposophie beschrieben werden:

  • Es handelt sich dabei um eine Ausgeburt anthroposophischer Spinnerei.
  • „in Wirklichkeit beruht die Biodynamik komplett auf den Lehren Rudolf Steiners.“
  • „Steinersche Öko-Esoterik… „
  • „Ergeben folgen die Biodynamiker den Eingebungen ihres Meisters, die diesem nicht etwa durch eigene Garten- oder Feldarbeit in den Sinn gekommen waren – es war eher eine Art galaktischer Geist, der ihm die Jobbeschreibung für Bauern ins Hirn gepustet hatte.
  • Kritiklose Anbetung eines durchgedrehten Säulenheiligen
  • …das Steinersche Zerrbild der Welt… „

Stellen wir uns einmal vor, in der selben Weise würde über Behinderte oder über eine politische Partei hergezogen. Die Chancen stünden nicht schlecht, den Autor zur Rechenschaft zu ziehen und hohe Schadenersatzsummen einzuklagen. Auf allen Feldern des Lebens bemüht man sich heute um Gleichstellung und wendet sich gegen Diskriminierung aller Art. Einzig das Feld der Weltanschauung scheint davon ausgenommen.

Gegenüber sogenannten Sekten hat sich dieser journalistische Tonfall bereits fest etabliert, und offenbar findet das der Durchschnitts-Leser des Spiegel auch ganz normal. Niemanden scheint diese bodenlose Verhöhnung von Menschen und ihren Absichten zu stören – außer den Betroffenen natürlich.

Was sind nun die Motive hinter derartigen Aussagen? Das Bedürfnis nach sachlicher Aufklärung des Lesers kann es nicht sein, wenn derartig flegelhaft und ehrabschneidend argumentiert wird.

Was sich an Urteilen klar erkennbar durch den Text hindurchzieht, ist eine Aussage, die man etwa folgendermaßen zusammenfassen könnte:

Dieser Mann (Rudolf Steiner) ist geisteskrank gewesen, und alle die seine Gedanken heute noch ernstnehmen, sind in ihrem Urteilsvermögen und ihrer zurückgebliebenen Weltanschauung ebenfalls als gestörte und minderwertige Geschöpfe anzusehen. Als einer Art geistiger Krüppel haben sie schon das Recht, irgendwo abseits vom Leben ihren Spinnereien nachgehen zu können, schließlich sind wir ja tolerant und aufgeklärt heute. Aber innerhalb einer öffentlichen Einrichtung haben diese Beforscher von kosmischen Energien und ihr Zerrbild der Welt nichts zu suchen!

Die sachliche Aussage, das Thema des Artikels, wäre eigentlich gewesen:

Ich bin skeptisch, ob es günstig ist, dass an einer deutschen Universität nach Richtlinien geforscht und gearbeitet wird, die nicht dem gängigen Wissenschaftsbild entsprechen. Meiner persönlichen Meinung nach ist diese Weltanschauung für eine Stätte der Wissenschaft nicht akzeptabel.

Dieses Thema tritt aber gegenüber den Beschimpfungen vollkommen in den Hintergrund. Wie von anthroposophischer Seite in den Stellungnahmen zum Artikel sehr richtig erwähnt wurde, deutet der Stil des Artikels darauf hin, dass hier jemand Projektionen größeren Ausmaßes erlegen ist und damit die Inhalte wohl mehr über den Autor selbst aussagen, als über das zur Debatte stehende Thema.

Bei näherem Hinblicken auf den Artikel muss man wohl zu der Überzeugung gelangen: Hier ist jemand sichtlich in seiner Weltanschauung erschüttert und zutiefst verängstigt. Die Abwehrreaktion ist so heftig, da es sich bei dem anthroposophischen Gedankengut offensichtlich um eine Art „Allergen“ handelt, auf das die Spiegel-Autorin, wie viele ihrer Zeitgenossen mit heftigen verbalen „Nießattacken“ reagieren muss. So sehr fühlt sie sich in ihren eigenen Glaubensüberzeugungen (auch der Glaube an eine wie auch immer geartete „Wissenschaftlichkeit“ kann pseudoreligiöse Züge annehmen) in Frage gestellt, dass sie auf das Fremde, das hier in ihr festgefügtes Weltanschauungsgebäude eindringt, nur mit heftigster Aggression reagieren kann.

Es ist tatsächlich eine Instinktreaktion, nicht eine freie Handlung, die wir als Motiv hinter einem solchen Hetzartikel vermuten dürfen.

Karl Heyer, anthroposophischer Geschichtswissenschaftler und Anthroposoph der ersten Stunde, hat diesen Zusammenhang 1921 so geschildert:

„Das Geistesleben der Gegenwart lehnt die Anthroposophie ab. Es lehnt sie ab aus jener unbedingten Gesetzmäßigkeit heraus, die noch immer das Alte, Überlebte, dekadent Gewordene zum Feind des Jungen und Zukunftskräftigen werden ließ. Gegner der Anthroposophie sind daher im Grunde alle, die da glauben, noch irgend einen alten traditionellen Geistesbesitz ihr eigen zu nennen, in dem sie sich durch Anthroposophie gestört fühlen.“

In Wahrheit spricht Raffaela von Bredow mit jedem Satz ihres Artikels aus:

Ich fühle, dass hinter diesem Gedankengut eine tiefere Wahrheit liegen muss, aber mit dieser Wahrheit komme ich nicht zurecht. Sie würde mein ganzes Leben, meine Überzeugungen und meine Meinungen in Frage stellen, daher muss ich diese Gedanken mit aller Kraft verächtlich machen. Ich muss sie als gefährlich anprangern, um dieses Gefühl in mir zu übertönen.

So haben wir nicht die sachliche Beschreibung einer Thematik vor uns, welche für ein „Nachrichtenmagazin“, wie sich der Spiegel ja selbst nennt, angemessen wäre, sondern einen im höchsten Masse mit Aggression und Angst aufgeladenen Artikel. Angst aber führt zu Gewalt. Und diese Gewalt fühlt jeder, der wie eingangs erwähnt, eine ernsthafte Liebe zu Rudolf Steiner entfaltet hat.

Wohl nur ganz wenige Menschen sind in der Lage, Gewalt anzuwenden, und sei es nur verbale Gewalt, wenn sie sich in einem klaren, die Handlungen überschauenden Bewusstsein befinden. Wer kann im normalen Bewusstseinszustand einen anderen Menschen, etwa mit einem Messer, physisch verletzen? Dazu bedarf es eines herabgedämpften, von Trieben aufgeladenen Menschen.

Gewalt kann eigentlich nur aus einem fanatisierten, von Emotionen umhergeschleuderten Bewusstsein hervorgehen, das keine luzide Führung durch das Ich des Menschen mehr hat. (Man denke nur an den randalierenden Mob von Fussballhooligans nach einem Spiel.)

Es ist ein solcher Artikel wie der des Spiegel (und dieser ist nur stellvertretend für Hunderte anderer), in meinen Augen kein Journalismus, der diesen Namen wirklich verdient hätte. Es handelt sich um eine Hetz- und Propagandaschrift, die geeignet ist, bei anderen Menschen ebenfalls (vorerst wohl verbale) Gewalt zu schüren indem sie an die Instinkte und Leidenschaften dieser Menschen appelliert, sie aufwühlt, um so eine Atmosphäre des Hasses zu erzeugen. Diese Atmosphäre aber, wenn sie Jahr um Jahr von vielen Seiten durch derartige Texte immer mehr aufgeheizt und verdichtet wurde, muss sich – wie uns ja auch die Geschichte lehrt – zu gegebener Zeit in realer Gewalt entladen und streut damit die Saat für die Pogrome der Zukunft.

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Ein Kommentar auf "Saat für die Pogrome der Zukunft"

  1. Manfred sagt:

    Dr. Peter Schulte ist Soziologe, Buchautor und war selbst über 10 Jahre „Sektenreferent“ der Tiroler Landesregierung. Dass der kirchlich inszenierten Sektenjagd im 21. Jhdt. immer noch kein Riegel vorgeschoben ist, deren Diffamierungskampagnen von Andersgläubigen mancherorts sogar staatlich subventioniert werden, hält er für unhaltbar.

    „Einem religiösen Pluralismus, wie er im Jahr 2012 besteht, noch mit der „Sektenkeule“ und der Unterstellung eines Irrglaubens zu begegen, ist weltfremd und anmaßend. Hier werden moderne Errungenschaften – wie Aufklärung und Religionsfreiheit – sowie eine damit zusammenhängende religiöse und weltanschauliche Selbstbestimmung negiert. Dass dabei ständing die religiösen Gefühle von Menschen verletzt werden, darüber schreibt keine Zeitung.“ http://foref.info/news/foref-kommentare/unbenannte-ressource3/

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