Die Entstehung der Anti-Sekten Bewegung in Deutschland Teil 4

21. Juni 2008 | Von | Kategorie: Die Anti-Sekten Szene

Teil 4  „Professionalisierung“

Gründung von Dachverbänden – AGPF

Bereits 1977 wurde eine Dachorganisation, die Aktion für geistige und psychische Freiheit – Arbeitsgemein­schaft der Elterninitiativen e.V. (AGPF) gegründet, in der sich, vor allem kirchliche Sektenexperten nun erstmals wirksam zusammenschließen konnten.

Diese Arbeitsgemeinschaft fand auch bald Unterstützung durch Prominente Vertreter der Politik: Dr. Klaus Karbe, damals Ministerialrat des Bundesfinanzministeriums und Staatsminister Friedrich Vogel traten bei und unterstützten die Ziele durch Wort und Tat, was der AGPF ermöglichte auch öffentliche Gelder für ihre Initiativen zu bekommen.

Vogel erklärte 1998:

Unser Verband von Elterninitiativen hat sich die entschlossene Bekämpfung von Jugendreli­gionen zum Ziel gesetzt. Dies ist eine dringende gesellschaftspolitische Aufgabe, der sich auch die Bundesregie­rung nicht entziehen darf

Dazu wollten manche Mitglieder der AGPF auch Methoden anwenden, von denen man sich heute wieder zunehmend distanziert hat, die aber ein sehr deutliches Licht auf das Weltbild und die Gesinnung dieser sich immer stärker auch politisch formierenden Anti-Sekten-Bewegung werfen:

Deprogramming, eine Praktik., die in den siebziger Jahren in den USA vermehrt ausgeübt wurde, und bei dem die Opfer von Sekten, an denen, was für die Sekten-Gegner außer Zweifel stand, Gehirnwäsche verübt wurde, wieder deprogrammiert werden sollten. Die vermeintlichen Sektenopfer wurden gegen ihren Willen befreit (also von den Deprogrammierer aus dem Sektenumfeld entführt), dann unter Isolation von der Umgebung eingesperrt und ei­nen Verfahren unterzogen, das sie von ihrer Sekten-Konditionierung wieder befreien sollte, eine Art Anti-Gehirnwäsche also.

Dr. Altmann, ein damaliges Vorstandsmitglied bei der AGPF äußerte öffentlich seine diesbezüglichen Erfahrungen:

Am einfachsten ist es bei Gruppen, bei denen Sektenmitgliedschaft einfache magische Versiegelung bedeutet, bei den Krishna-Leuten zum Beispiel. Nimmt man ihnen die Amulette ihrer Versiegelung, schneidet man ihnen beispielsweise kurzerhand den Zopf ab, brechen sie sofort zusammen.

Lange ließ sich allerdings ein solches brutales Vorgehen nicht aufrechterhalten, nachdem, vor allem in den USA, verschiedene Fälle des „Deprogramming“ vor die Gerichte getragen worden waren, begann die hiesige Anti-Sekten-Szene schnell Abstand davon zu nehmen und sich auch öffentlich von derartigen Entführungen zu distanzieren. Auch wenn der Eindruck entsteht, dass viele der damaligen Mitglieder der Anti-Sekten Bewegung der Meinung waren, nur mit solchen drastischen Mitteln die Sektenopfer wieder von ihrem „Wahn“ heilen zu können, so wurde man sich doch der Tatsache bewusst, dass Öffentlichkeit, Gerichte und Politik hier nicht mehr mitspielen würden.

Professionalisierung – die Anti-Sekten-Bewegung heute

Die Anti-Sekten Bewegung ist heute aus den Kinderschuhen herausgewachsen und hat sich zusehends professionalisiert. Aus den Jugendsekten wurden im Laufe der Zeit destruktive Kulte, Psychogruppen, und aus den Elterninitiativen professionell arbei­tende, finanziell immer besser ausgestattete Büros.

Deutschland ist heute mit Sektenexperten gut versorgt. Die evangelische Kirche beschäftigt etwa 30 offizielle landeskirchliche Sektenbeauftragte, ihr Dachverband, der EKD unter­hält die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen in Berlin mit einigen Mitarbeitern. In der katholischen Kirche arbeiten regional ebenfalls ca. 30 Sektenbeauftragte. Zwei Zentraleinrichtungen, die Katholische Sozialethische Arbeits­stelle in Hamm und die Zentralstelle Pastoral in Bonn ergänzen diese Anzahl. Neben den kirchlichen Sektenbeauftragten gibt es die staatlichen Sektenbeauftragte in den einzelnen Bundesländern. Selbst politische Parteien haben inzwischen eigene Sektenbeauftragte. Ein Ziel von deren Arbeit ist es soweit dies bekannt ist, dass eine Unterwanderung der Partei durch Sekten vorgebeugt werden soll. Weiter­hin existieren in Deutschland einige Dutzend Selbsthilfegruppen bzw. eingetragene Vereine, die sich mit Sekten beschäftigen. Die fünf größten davon sind: SINUS in Frankfurt am Main, Sekten Info Essen, AGPF in Bonn, EBIS in Stuttgart, ABI ebenfalls Stuttgart und ARW in München.

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